Interview zur Veröffentlichung des Positionspapiers #02 Immobilien mit Sophie Kazmierczak, Chief Impact and Sustainability Officer, NEXT Generation Invest und Mitglied des Vorstands der Bundesinitiative Impact Investing und Tanja Volksheimer, Head of Fund Management, NEXT Generation Invest:
Ein positiver transformatorischer Beitrag durch die illiquide Assetklasse Immobilien ist nicht immer leicht erklärt. Auf welchen Ebenen können Immobilien ökologische und soziale Wirkung entfalten?
Sophie Kazmierczak: Bisher wird man noch häufig mit der Frage konfrontiert „wie funktioniert Impact Investing bei Immobilien eigentlich?“ Klar ist, Immobilien sind nicht nur für einen sehr hohen Anteil an Emissionen sowie die Versiegelung von Bodenflächen und somit den Verlust von Biodiversität verantwortlich, sondern der Mensch verbringt mehr als 90% seiner Zeit in Immobilien. Gleichzeitig nimmt eine Immobilie durch ihre Nutzung einen direkten Einfluss auf diverse Lebensbereiche wie z.B. Wohnen, Arbeiten, Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen oder Bildung. Und: Immobilien haben nicht nur aufgrund ihrer Nutzung eine übergeordnete gesellschaftliche Bedeutung, sondern entfalten darüber hinaus auch eine Strahlkraft in das Quartier bzw. Umfeld. Somit prägt die bebaute Umwelt das Leben der Menschen wie kaum ein anderer Sektor. Die wichtigsten Ebenen, auf denen Immobilien eine Wirkung auf Mensch und Umwelt entfalten haben wir klassifiziert in Bau, Raum sowie Stadt/Region.
Was heißt das konkret?
Tanja Volksheimer: Bei Immobilien stehen oftmals die ökologischen Aspekte in Bezug auf die Bausubstanz – vor allem die möglichen CO2 Einsparungen – im Vordergrund. Wir müssen Immobilien aber viel ganzheitlicher betrachten, alle Ebenen im Detail berücksichtigen, wie diese einzeln und zusammenwirken und sich gegenseitig bedingen. Dazu gehört auch, wie ich den “Raum” fülle. Oder auch die richtige Immobilie im richtigen Kontext, die maßgeblich dazu beiträgt, Perspektiven zu verändern, Lebenssituationen zu verbessern.
Wie lässt sich der Orientierungsrahmen für Impact-Ansätze der Bundesinitiative Impact Investing auf Immobilien übertragen? Wo liegen hier die Herausforderungen?
Tanja Volksheimer: Beim Immobilien-Impact-Investing geht es darum, Kapital in immobilienbezogene Projekte zu investieren, um einen messbaren, nettopositiven Beitrag zur Bewältigung gesellschaftlicher, sozialer und/oder ökologischer Herausforderungen zu leisten, der sonst nicht erreicht worden wäre. Dies erfordert klare Absichten für positive Auswirkungen bereits in der Planungsphase des Immobilienprojekts oder bei Ankauf der Immobilie in ein wirkungsorientiertes Vehikel. Während die persönlichen Absichten eines Investors schwer nachweisbar sind, sollte die Absicht, positive Auswirkungen zu erzielen, durch Maßnahmen, die gegenüber Interessengruppen wie Nutzer:innen und Nachbar:innen transparent sind, sichtbar werden. Idealerweise erfolgt die institutionelle Verankerung der Absicht zur Wirkungserzielung bereits in der Planungsphase, etwa durch die Einrichtung eines Beirats oder Aufsichtsrats. Dies zeigt sich auch in der Mieterwahl, der Auswahl der Dienstleister und Berücksichtigungen eines Mechanismus, der die Mission im Exit sichert. Und dann wird transparent darüber berichtet, wie man es auch für die finanziellen Kennzahlen tut.
Sophie Kazmierczak: Mit dem ersten Positionspapier der Bundesinitiative Impact Investing, welches Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde, haben wir als Initiative einen wichtigen Schritt gemacht, indem wir den – zwischenzeitlich immer häufiger verwendeten – Begriff des “Impact Investings” klarer ausdifferenziert und beleuchtet haben. Mit unserem Positionspapier zum Thema Immobilien wollen wir zeigen, wie die Theorie in der Praxis angewendet werden kann. Wir wollen Mut machen und Orientierung geben, damit sich mehr Akteure aus dem Markt auf den Weg machen.
Wo seht Ihr das größte Potenzial für künftige Lösungsansätze?
Tanja Volksheimer: Einmal ist es wichtig die verschiedenen Stakeholder in der Konzeptphase abzuholen und die Wirkziele zu entwickeln. Hier sind neue Nutzungskonzepte denkbar, die sowohl die Impact-Investor:innen, als auch die Immobilienwirtschaft und andere Stakeholder und ihre Bedürfnisse „abholen”. Oft sind Lösungsansätze neuer Technologien oder Konzepte noch in der Prototypenphase, und durch deren Nutzung/ Umsetzung gilt es, diese zur Skalierung zu bringen. Auch können neue Betreiberkonzepte zur Sicherstellung der Wirkziele beitragen. Wirklich verbreitet werden diese Lösungsansätze dann mit Hilfe von veröffentlichten Fallstudien„ um die bewährten Praktiken zu untermauern- und hier wollen wir als Bundesinitiative auch unseren Beitrag leisten.
Welche Rolle spielen Immobilieninvestor:innen bei der Lösungsfindung?
Sophie Kazmierczak: Um Immobilien effektiv auf ökologische und soziale Herausforderungen auszurichten, bedarf es zunächst eines klaren Problembewusstseins und der Festlegung von bedarfsorientierten Impactzielen. Die Branche muss eine neue Herangehensweise entwickeln, die die koordinierte Zusammenarbeit aller Beteiligten ermöglicht.
Tanja Volksheimer: Immobilieninvestor:innen können den Anstoß für diese Veränderungen geben und die Grundlage für eine auf das Gemeinwohl ausgerichtete Steuerung und Planung von Immobilienprojekten und ‑umnutzungen schaffen. Anschließend ist die Entwicklung und Umsetzung transparenter und kalkulierbarer Arbeitsprozesse und Methoden notwendig, die von allen Marktteilnehmer:innen verstanden werden. Dies schafft die Vertrauensbasis für die Weiterentwicklung des Immobilienmarktes.
Könnt Ihr uns ein gutes Beispiel für ein Impact Investment im Immobilienbereich nennen?
Sophie Kazmierczak: Ein gutes Beispiel für ein Impact Investment im Immobilienbereich ist das Kreativ Quartier (KQ) in Potsdam, das sowohl auf soziale als auch ökologische Themen und Belange einen sehr starken Fokus legt. Es zielt darauf ab, Ungleichheit zu verringern, indem es benachteiligten Bevölkerungs- bzw. Berufsgruppen Raum bietet und ihnen somit ermöglicht, eine Begegnungsstätte für Kunst und Kultur zu schaffen. Ein Drittel der insgesamt 29.000 m² wird zu stark vergünstigten Preisen an Kunstschaffende und Start-ups vermietet. Das laufende Management überwacht die Auswirkungen auf alle relevanten Stakeholder. Das Projekt trägt zudem wesentlich zum Klimaschutz bei, indem es die Anforderungen der EU-Taxonomie übertrifft und die Gebäudeenergiegesetzvorgaben um etwa 35 Prozent unterschreitet.